Chillen mit Buddha

Coole Drinks am Abend.

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Alexander von Humboldt befand im Jahre 1799 von seinem angeblichen Aussichtspunkt aus, dass es keinen schöneren Ort auf der Erde geben könne. Während das Lokal am heutigen Mirador Humboldt aber im Tiefschlaf unternehmerischer Fehlplanung versinkt, war das ganz in der Nähe liegende Sunset 290 lange Zeit ein beliebtes Kult-Lokal. Der Ausblick war allemal genau so spektakulär. Das Sunset 290 musste aber leider geschlossen werden. Die Gründe sind unten beschrieben. Die Geschichte hier und die Fotos haben nur noch Erinnerungswert.

Oben die Mauer der Autobahn, wo 50m höher der Verkehr entlang donnert, unten tiefe Abgründe mit Ackerterrassen und Obstbäumen, rechts und links unüberwindbare Felsen. Genau dazwischen liegt das schönste Aussichtslokal Teneriffas. Der Blick schweift weit über das Orotavatal, direkt unterhalb die Bananenplantagen von El Rincón, weiter weg Puerto de la Cruz, und über allem thront der Teide. Diese Aussicht gibt es natürlich an mehreren Stellen hier in der Gegend. Aber dieser Ort ist so exklusiv und eigenartig, dass man nach jedem Besuch unbedingt bald wiederkommen möchte.

Sunset 290 ist ein Lokal, das mit leckeren Cocktails aufwartet, einer kreativen Küche, und mit einer Ausstattung, die man nur noch staunend bewundern kann. Das Ambiente ist einzigartig. Mit viel Liebe zum Detail wurden die alten Ackerterrassen und die in den Fels hinein gebauten Fincahäuschen zu einer fantasievoll angelegten Restaurant-Landschaft umgestaltet.

Auf der Strandterrasse stehen Himmelbetten im Sand, die Kellner servieren die Drinks ans Bett, und man kann dem Sonnenuntergang entgegenkuscheln. In verschiedenen Bereichen sitzt man an der Bar, versinkt zwischen Sofakissen oder gruppiert sich um Holztische aus alten Wurzeln. Oder man speist in einem Fischerboot, dessen Bug über den Abgrund hinausragt. Bunte Blumen aller Art, Papaya- und Mangobäume, sich drehende Wasserkugeln, fernöstliche Sonnenschirme, Glockenspiele und blinkende Lämpchen am Abend. Das Auge kann sich gar nicht satt sehen an den vielen Details.

Und über allem wacht der Buddha. Eine riesige Statue steht fast am höchsten Punkt der Anlage und wird bei Nacht mit einem farbigen Lichtspiel raffiniert in Szene gesetzt. Auch auf der Buddha-Terrasse werden die raffiniert zusammengestellten und hübsch dekorierten Cocktails und Speisen serviert. Stabile Glaswände schützen vor dem Wind und lassen den Abgrund darunter noch ein bisschen gefährlicher aussehen.

Schon am Eingang zum Lokal grüßt ein mehrere Meter hoher thailändischer Tempelwächter, und viele kleinere Buddha-Statuen verteilen sich über das Gelände. Die Wände sind farbenfroh bemalt, Pflanzen und Kunstwerke und liebevolle Kleinigkeiten ergänzen das fantastische Gesamtbild.

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Der Weg zum Lokal ist nicht ganz einfach. Ein betonierter Fahrweg führt steil hinunter. So steil, dass man am besten das Auto oben stehen lässt. Denn unten gibt es nur wenige Parkplätze, und wer sich traut, dort hinunter zu fahren, muss sich auf die guten Bremsen seines Autos verlassen können, das auch einen starken Motor haben muss, um den Rückweg wieder zu schaffen. Am besten geht man vorsichtig zu Fuß und denkt am besten nicht daran, wie sich wohl der Aufstieg gestalten wird, nachdem man mehrere Drinks probiert hat.

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Wer nicht laufen will, kann auch den Shuttle-Service des Lokals benützen. Ein freundlicher junger Mann steht oben am Ende der Straße und fordert bei Bedarf den Landrover an, der die Gäste sicher hinunter bringt.

Leider wird das einzigartige gastronomische Erlebnis durch einen unschönen Verwaltungsakt getrübt. Am 6. April 2017 hat der oberste kanarische Gerichtshof einen Widerspruch des Besitzers gegen die Stadt La Orotava zurückgewiesen. Diese verlangt die Schließung des Lokals, da es sich in einem Landschaftsschutzgebiet befindet und über keine Lizenz zur Bewirtschaftung verfüge. In diesem Raum sei ausschließlich landwirtschaftliche Nutzung erlaubt. Der Besitzer behauptet aber, eine Ausnahmegenehmigung zu haben. Bereits im März 2016 hat die Stadt nach rechtlicher Prüfung und auf Anraten des Raumordnungsamtes, aber gegen die Stimmen aller Oppositionsparteien, eine Sanktionsverfügung gegen den Besitzer erlassen, verbunden mit einer Geldstrafe von 15000 €, gegen die der Besitzer dann Widerspruch eingelegt hatte. Dieser wird jedoch weitere verwaltungsrechtlich Schritte in die Wege leiten und versichert, dass der Restaurantbetrieb vorläufig normal weitergeht.

Bleibt nur zu hoffen, dass die Stadt einlenkt und eine Ausnahmegenehmigung erteilt, und die Entscheidungsträger nicht engstirnig auf den Vorschriften des Raumordnungsplanes bestehen. Denn eigentlich kann so ein Lokal nur einen Imagegewinn für die Stadt bedeuten. Es lockt Besucher an und wird in allen Medien nur gelobt. Hoffen wir, dass wir die coolen Drinks und die coole Aussicht noch lange genießen können.

Die Aussicht wird übrigens etwas beeinträchtigt durch eine Hochspannungsleitung, die quer über dieses Landschaftsschutzgebiet verläuft. Einer der Strommasten steht direkt am Zufahrtsweg zum Lokal. Schon seit 22 Jahren verläuft diese Stromleitung auf Grund einer vorläufigen Ausnahmegenehmigung in einem weiten Bogen über das Gebiet von El Rincón. Der Bürgermeister Linares von La Orotava sagte erst im März 2017: „ Die Erlaubnis war ein Entgegenkommen an die Stadt Puerto de la Cruz im Jahr 1995 für diese Installation, die eigentlich nur ein oder eineinhalb Jahre dauern sollte.“ Schon seit Jahren wird die unterirdische Verlegung der Stromkabel gefordert. Aber die Elektrizitätsgesellschaft Endesa unternimmt nichts, und die Masten stehen außerdem auf Privatgelände.

Beim Chillen unter den Augen des Buddha kann man das Kabel aber durchaus in Kauf nehmen und die schönen Abendstimmungen genießen. Selbst wenn die dicke Passatwolke über dem Orotavatal hängt, kann ein plötzlicher Sonnenuntergang ganz überraschend vorkommen, wenn die Sonne unter die Wolke taucht und für wenige Minuten die Berghänge mit goldgelbem Licht überflutet, bevor sie im Meer versinkt.

Ob es einen schöneren Ort auf der Erde gibt, ist schwer zu beurteilen, aber mit Sicherheit ist das Sunset 290 das raffinierteste Aussichtslokal der Insel Teneriffa.


Anfahrt zum Lokal: Von der Autobahnausfahrt 31, Cuesta de la Villa, auf der „Meerseite“ etwa 800m parallel zur Autobahn bis zum Ende der Straße fahren. Dort gibt es Parkmöglichkeiten. Man musste zu Fuß zum Lokal hinunter gehen.

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Foto: La Opinion

Aktualisierung April 2018
Das beliebte Lokal musste am 17. 04.18 leider schließen. Eine Ausnahmegenehmigung war nicht möglich. Der Oberste Gerichtshof der Kanaren hat auch einen Widerspruch gegen das Urteil von 2017 nicht zugelassen. Der Betreiber hatte noch Zeit, alles zu entfernen, was er mitnehmen wollte, bevor das Lokal versiegelt wurde. Die Jahre langen gerichtlichen Auseinandersetzungen fanden damit ihren traurigen Schlusspunkt, und La Orotava verlor eines seiner beliebtesten Ausflugsziele. Dass ausgerechnet an dieser Stelle dem Naturschutz eine so hohe Wertigkeit eingeräumt wird, wo an anderen Stellen viel dringendere Probleme zu lösen wären, hat allgemein so manches Kopfschütteln ausgelöst. Die Betreiber erhielten Unterstützung von allen Seiten, doch von juristischer Seite war nichts mehr zu machen.

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Aktualisierung 20.12.18
Sunset 290 bekam einen Nachfolger: Gecko 290 in Puerto de la Cruz, Calle Iriarte 1

Aktualisierung Dezember 2019
Das Gecko 290 ist ebenfalls wieder geschlossen.


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Ganz in der Nähe gibt es noch das Café Vista Paraiso. Es ist bei weitem kein Ersatz für das Sunset 290, denn sowohl das Ambiente als auch die Küche sind sehr viel bescheidener. Aber wer Eiskaffee und Salzburger Apfelkuchen mag, dem sei dieses Aussichtslokal empfohlen, das von einer österreichischen Familie gegründet wurde.


Artikel-Nr. 19-5-77

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